Die Stunde, bevor der Zirkus seine Zelte für die Schaulustigen öffnet, mag Buck am liebsten. Denn dann tummeln sich auf dem Gelände allerhand fragwürdige und auch spannende Kuriositäten, die beizeiten die eigentlichen Mitglieder des Zirkus in den Schatten stellen. Damen mit stärkerem Make-up, als es sich so mancher Clown erlauben würde, mit toupierten Haaren, riesigen Reifröcken und einem kleinen Vermögen, in Form von glänzenden Ringen, an den Fingern. Sie werden von stolzen Männern begleitet, die sie umherführen, wie die Dresseure ihre Pferde in der Manege. Aufgeweckte Kinder, adrett gekleidet, aber mit allerhand Flausen im Kopf.
Es fasziniert Buck jedes Mal aufs Neue und erinnert ihn gleichzeitig daran, dass ein kultiviertes Stadtleben nichts für ihn wäre. Nicht, dass er sich ein Leben wie das der reichen Zirkusbesucher leisten könnte. Nein, er würde schnurstracks in den Armutsvierteln landen.
Genau deswegen ist Buck vor zwei Jahren aus dem Waisenhaus geflohen und hat beim Zirkus angeheuert. Der dicke, strenge Zirkusdirektor hat ihm gerne Arbeit gegeben. Ställe ausmisten und Zelte aufbauen. Jede Menge anstrengende Aufgaben, die für den kleinen, schmächtigen Buck echte Qualen bedeutet haben. Aber er hat sich hochgearbeitet. Zumindest redet er sich genau das ein, während er in die viel zu bunte Kleidung schlüpft, die er als Clown tragen muss. Danach nimmt Buck auf dem wackligen Holzschemel, direkt vor dem großen, dreckigen Spiegel im hinteren Bereich des Zirkuszeltes Platz. Er greift nach den kleinen Döschen voll Schminke und beginnt freudlos, sich auf seinen Auftritt vorzubereiten. Dabei ist die billige Schminke hart und lässt sich nur schwer mit Schwämmchen oder Pinsel aufnehmen.
»So ein verdammter Mist.« Buck murmelt leise vor sich hin, bis eine kräftige Hand auf seiner Schulter landet.
»Na Kleiner, führst du wieder Selbstgespräche?« Merkur, der Messerwerfer. Er schaut gehässig lächelnd zu Buck hinab, den Kopf auf die Seite gelegt und den Oberkörper bedrohlich über den kleineren Clown gebeugt.
»Verpiss dich, Merkur!« Nach dem ersten Schock ist Buck nur noch genervt. Er boxt den Messerwerfer halbherzig zwischen die Rippen, ein Angriff, den der durchtrainierte Merkur wahrscheinlich gar nicht spürt. Aber er begreift die Intention dahinter, lässt kopfschüttelnd von Buck ab und schreitet davon. Der Clown bleibt abermals alleine in seiner Ecke zurück.
Da Buck der Jüngste unter ihnen ist, wird er oft drangsaliert, und auch die Narben vom ersten Aufeinandertreffen mit dem wankelmütigen Messerwerfer erinnern ihn oft genug an seinen Platz innerhalb ihrer kleinen Zirkustruppe.
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