Mein Name war Peri. Mein Meister hatte mich in einer regnerischen Mittsommernacht aus einem großen Block dunklen Zedernholzes geschlagen. Zurück in seinen Kutschwagen schleppte er es, jenes Stück, welches er dem Baum entriss. Ein Teil fremden Lebens für seine eigennützigen Zwecke. Mit Säge, Feile und Hobel bearbeitete er es die ganze lange Nacht, bis es nicht mehr seiner eigenen Art glich, sondern dem hölzernen Ebenbild eines Menschen. Mit beweglichen Gliedern und einem immerwährenden Lächeln mitten ins Gesicht geschnitzt. Haare aus flachsgelben Wollfäden und Kleidung von Kindern, die er nie hatte. Zu guter Letzt, als mein Körper, die leere Hülle, fertig war, da hob mich mein Meister beinahe liebevoll an und legte mich wie ein Neugeborenes in seine Arme. Für den Bruchteil eines Herzschlages wurden seine Gesichtszüge weich, es legten sich Lachfältchen um seine kalten Augen, seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem sanften Schmunzeln. Doch dann kamen Boshaftigkeit und Rachedurst zurück. Mit einer schnellen Bewegung ließ er meinen Puppenkörper zurück auf den Tisch fallen, wo dieser Holzspäne und Staub aufwirbelte.
Im ersten fahlen Licht des Morgens begab sich mein Meister zu einem seiner Regale, auf dem kleine Fläschchen und Gläser standen. Sorgfältig wählte er die richtigen aus und goss den Inhalt in eine große, kupferne Schüssel, ehe er Blütensamen sowie getrocknete Kräuter holte. Auch diese gab er hinzu, ebenso das winzige, erkaltete Herz eines Sperlings, welches er zuvor mit einem Mörser und übertriebener Kraft zerstieß. Nachdem er den Tisch mit einem seiner massigen Unterarme abgewischt und mit Kohle dunkle Runen darauf verteilt hatte, stellte er die Schüssel neben meinen hohlen Körper. Zuletzt ein einzelnes Haar, goldblond schimmernd und gelockt, sowie ein paar Tropfen Blut, sicher in einer Phiole aufbewahrt. Beides gab er mit Vorsicht in das Gebräu. Eine fragwürdige Masse, ein markabres Sammelsurium. Dann begann sein dunkles Ritual, eine Abfolge von schweren Worten und gewichtigen Gesten, bis die Runen zu leuchten begannen. Der ganze Wagen erbebte, schaukelte, sodass nichts an seinem Platz blieb. Jeder Gegenstand, jedes – mehr oder weniger – Lebewesen hielt gebannt die Luft an. Nur der Meister schien immer mehr in seiner furchterweckenden Ekstase aufzugehen.
Erschauernd beendete er das Ritual, plötzlich ausgelaugt und kraftlos. Er hob die Schale mit zitternden Händen auf und goss den Inhalt behutsam über meinen Körper. Die Flüssigkeit bahnte sich langsam einen Weg durch die Kerben und Risse des Holzes, sickerte tief ins Innere, erweckte dort etwas. Mit einem Teil fremden Lebens gab er mir auf diese Weise eine geliehene Seele und während ich unfreiwillig in diese Welt geboren wurde – wenn man es denn so nennen möchte – beugte er sich dunkel und groß über mich. Flüsternd, als wollte er mich nicht erschrecken, gab er mir den Namen Peri. Auf seinen Lippen zuckte ein manisches Lächeln.
Nun sei gesagt, dass ich diese Observationen nicht selbst getan hatte. Zum einen, da ich den größten Teil meiner Entstehung nicht mitbekam, zum anderen, weil ich meinem Meister nie ins Gesicht sah. Seit meiner Erschaffung hatte er sich nicht mehr zu mir heruntergebeugt, oder mich gar liebevoll in seine Arme geschlossen. Für mich blieb er eine finstere Gestalt, wie ein dunkler Turm, der alles überschattend in den unterschiedlichsten Momenten vor mir aufragte. Mein Wissen hatte ich Salomon, dem Raben meines Meisters, zu verdanken. Er machte sich einen diebischen Spaß daraus, mir all das möglichst anschaulich zu berichten. Ihr müsst in dieser Hinsicht also genauso den Worten des kohleschwarzen Federviehs Glauben schenken, wie auch ich es damals tat.
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